Richtig und verkehrt

Ethik, Gewissen, Handlung

Falsche und verkehrte Handlungen

Handlungen können auf verschiedene Art und Weise richtig und verkehrt sein (vgl. Robert Spaemann: Glück und Wohlwollen. Versuch über Ethik. Stuttgart: Klett-Cotta 1989,13–18). Diese Weisen könnten in eine Rangordnung gebracht werden, die nicht nur für Institutionen, Berufsgruppen und Personenkreise wie Regierungen, Krankenhäuser und Schulen, Richter, Ärzte und Lehrer, Familie und Freunde Bedeutung hätte. In vielen Fällen lassen sich nämlich die Richtigkeit und Verkehrtheit von Handlungen zurückführen auf die Wahrheit oder Falschheit von Annahmen über die Wirklichkeit. Vielen Handlungen gehen irrige Annahmen über die Wirklichkeit voraus, falsche Erwartungen, lückenhafte Erinnerungen an frühere Handlungen. Eine Ärztin könnte im Zweifel über die Zuteilung von Impfdosen sein und die falschen Kandidaten impfen. Ein Lehrer könnte einen Schülernamen verwechselt haben und aufgrund dessen die falsche Zeugnisnote eintragen. Ein Handwerker könnte sich an der Stromleitung verletzen, von der er irrigerweise annimmt, sie stehe nicht unter Strom.

Namensverwechslungen, Täuschungen

Ein Fehler könnte auch darin liegen, dass eine konventionelle Regel falsch beurteilt wird. So könnte das falsch verstandene Begrüßungsritual einer fremden Kultur als Beleidigung aufgefasst und unhöflich erwidert werden. In allen diesen Fällen kommt die Handlung nicht an ihr ursprüngliches Ziel. Eine fehlerhafte Handlung könnte demnach als missglückte Handlung betrachtet werden. Einer alten Denktradition zufolge ist eine solche Handlung gar keine wirkliche Handlung, weil die ihr zugrunde gelegte Absicht nicht herbeigeführt wird.

Wenn „Handlung“ in der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes genommen wird, kommen drei Komponenten in Betracht: die Absicht, die Handlung selbst und das Ziel.

Hinzugenommen werden könnten die Situation, in der eine Absicht gefasst wird, die Mittel, mithilfe derer die Handlung zustande kommt, und die Folgen, die sich aus der Handlung ergeben.

Der Schlag ins Gesicht

Handlungen, die nicht bewirken, was sie bewirken sollen, weil sie auf Irrtümern beruhen, „falsche Handlungen“ also, sind zu unterscheiden von Handlungen, die auf Bosheit, Verirrung, Schuld beruhen. Unbeabsichtigte Handlungen sind, wie gesagt, einer alten Denktradition zufolge keine richtigen Handlungen.

Hat der Mann also einen „Fehler“ gemacht und nichts „Verkehrtes“, der seine Ehefrau schlägt, von der er annimmt, sie habe ihn betrogen, wenn der Verdacht sich als Irrtum herausstellt?

Die an der Ehefrau verübte Grausamkeit wird sicherlich im anderen Sinn als verkehrt empfunden als die oben erwähnte falsche Zuteilung von Impfdosen oder der Griff an die geladene Stromleitung. Den demütigenden Schlag ins Gesicht als „Fehler“ zu bezeichnen, erscheint paradox.

  • Gibt es Handlungen, die keine richtigen Handlungen sind, weil sie absichtslos geschehen, wie Namensverwechslungen oder der versehentliche Kauf eines Artikels über das Internet?
  • Gibt es wiederum Handlungen, denen zwar eine Absicht zugrunde liegt – z. B. die Ehefrau durch den Schlag ins Gesicht zu bestrafen –, durch die aber dennoch das Beabsichtigte nicht herbeigeführt wird? In jenem Fall würde der Ehemann im Nachhinein sicherlich beteuern, dass er nicht eine Unschuldige habe schlagen wollen, nachdem der Irrtum aufgeklärt worden ist.
  • Würde also niemand mehr verkehrt handeln wollen, wenn er sich jenen Widerspruch zwischen richtiger und verkehrter Handlung klar gemacht hätte? Bedeutet richtig zu handeln also, das Beabsichtigte mit Einsicht in das Ganze der Handlung zu tun?

Aufgaben:

Untersuche die folgenden Fallbeispiele unter den genannten Aspekten:

  • Welche Absicht ist erkennbar?
  • Liegt eine falsche oder eine verkehrte Handlung vor?
  • Ist das Ziel der Handlung verfehlt worden?
  • Welche Folgen lassen sich dazudenken?
  • Wie lässt sich die verkehrte Handlung nachträglich wiedergutmachen?
  • Würdest du es in Betracht ziehen, die betroffenen Personen zur Rede zu stellen?

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